Schwerpunkt Rechtspsychologie

Studiengang: Master Psychologie, Schwerpunkt Rechtspsychologie (ab Wintersemester 2020/21)

Was ist Rechtspsychologie?

Rechtspsychologie betrifft die „Anwendung psychologischer Theorien, Methoden und Ergebnisse auf Probleme des Rechts“ (Lösel & Bender, 1993; Kap. 1). Es geht darum, Erkenntnisse aus verschiedensten Bereichen der Psychologie wie z.B. der Sozialpsychologie, der Allgemeinen, Differentiellen, Entwicklungs-, oder Klinischen Psychologie so anzuwenden, dass sie Antworten zu Fragen geben, wie sie in gerichtlichen und rechtlichen Kontexten entstehen. Beispiele für solche Fragen sind:

  • Wie entsteht Kriminalität? Was kann man tun, um die Entwicklung kriminellen Verhaltens zu verhindern? Was sind effektive Maßnahmen, um Straftäter:innen zu resozialisieren und Rückfälle zu verhindern?
  • Welche psychologischen Theorien kann man heranziehen, um richterliche Urteilsprozesse besser zu verstehen?
  • Was sind die Folgen für Opfer kriminellen Verhaltens und wie kann man sogenannten sensiblen Zeugen (z.B. Kinder oder Opfer einer schweren Straftat) ihre Aussagen vor Gericht erleichtern?
  • Wie lassen sich Kindeswohlgefährdungen erkennen und was sind geeignete Maßnahmen, diese zu verhindern? Wie kann Eltern, die sich in hochstrittigen Trennungsprozessen befinden, geholfen werden, dem Kindeswohl ihrer Kinder besser gerecht zu werden?
  • Wie kann psychologische Expertise vor Gericht helfen, validere Aussagen in Bezug auf die Glaubhaftigkeit von Aussagen oder die Schuldfähigkeit von Straftäter:innen zu treffen?

Dabei beschäftigt sich die Rechtspsychologie sowohl mit grundlagenwissenschaftlichen Fragen, zeichnet sich aber zugleich durch Ihre starke Anwendungsorientierung aus und arbeitet eng mit benachbarten Disziplinen wie den Rechtswissenschaften und der Kriminologie, der Psychiatrie, der Soziologie, und der (Sozial)pädagogik zusammen.

Berufsfelder in der Rechtspsychologie

Der Bedarf nach angewandtem rechtspsychologischen Wissen ist hoch. Rechtpsycholog:innen erstellen als gerichtliche Sachverständige Gutachten zu verschiedenen Fragestellungen im Familienrecht, zur Frage der Schuldfähigkeit und Gefährlichkeitsprognose bei Straftätern oder zur Glaubhaftigkeit von Zeug:innenaussagen. Sie arbeiten aber auch im Strafvollzug oder in forensischen Einrichtungen (z.B. in der Diagnostik, Begutachtung und Behandlung in Bezug auf Fragen der Rehabilitation und Resozialisation) oder bei Opferhilfeeinrichtungen. Im Bereich der Polizeipsychologie übernehmen Rechtspsycholog:innen Aufgaben in der Beratung bei Verhandlungen von Geiselnahmen, Einsatzplanung, der Betreuung von Polizeibeamten nach schwierigen Situationen, sowie in der Schulung und Personalselektion/-entwicklung für die Polizei. Auch als Wissenschaftler:in an Universitäten oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen kann man rechtspsychologische Themen verfolgen.

Was erwartet Sie im Studiengang?

Der Master Rechtspsychologie besteht aus verschiedenen „Basis“-Modulen zu den Bereichen Statistische Methoden, Diagnostik, Klinische Psychologie über die Lebensspanne, eine frei wählbare Grundlagenvertiefung (Allgemeine Psychologie, Persönlichkeitspsychologie, Sozialpsychologie Entwicklungspsychologie oder Neurowissenschaften), einem nicht-psychologischen Nebenfach, einem Praktikum und einer Anwendungsvertiefung (Klinische Psychologie, Gesundheitspsychologie, Angewandte Sozialpsychologie oder Angewandte Kognitionspsychologie) und den Modulen im Schwerpunkt Rechtspsychologie.
Im Schwerpunkt werden Kenntnisse in den theoretischen und empirischen Grundlagen der beiden großen Bereiche forensisch-psychologischer Tätigkeit (Strafrecht und Familienrecht) vermittelt. Diese Grundlagen sollen den aktuellen Wissenstand inklusive der empirischen Bewährung, die Forschungsmethoden zur Sicherung rechtspsychologischer Kenntnisse, sowie die ethische und fachliche Reflektion rechtspsychologischer Tätigkeiten umspannen. Auf Basis dieser Kenntnisse werden im abschließenden Fallseminar konkrete berufspraktische Fertigkeiten vermittelt. Diese können in der Planung und Erstellung eines Sachverständigengutachtens zu Glaubhaftigkeit, Kriminalprognose, Schuldfähigkeit oder familienrechtspsychologischen Fragen bestehen oder auch in der Erstellung eines Behandlungsplans oder der Planung einer Evaluation im Rahmen von Straftäterbehandlung. Abhängig von der konkreten Fragestellung können die durchgeführten Projekte grundlagen-theoretischer Natur, oder aber auch angewandte Probleme im Rahmen von Feldstudien bzw. Kooperationen mit forensischen Einrichtungen (forensische Psychiatrie; Strafvollzug) umfassen.
Außerdem gibt es in dem Bereich eine „Projektarbeit“, die sich in zwei Teile (über zwei Semester) gliedert. Im ersten Teil werden aktuelle Forschungsfragen der rechtspsychologischen Forschung erarbeitet und auf Basis der aktuellen Literatur offene empirische Fragen identifiziert. Auf dieser Basis wird eine daran anknüpfende Fragestellung inklusive Untersuchungsdesign und Auswertungsplan entwickelt. Im zweiten Teil wird dieses Forschungsprojekt dann durchgeführt, ausgewertet und zu einem Abschlussbericht zusammengefasst. Abhängig von der konkreten Fragestellung können die durchgeführten Projekte grundlagen-theoretischer Natur, oder aber auch angewandte Probleme im Rahmen von Feldstudien bzw. Kooperationen mit forensischen Einrichtungen (forensische Psychiatrie; Strafvollzug) umfassen. Beispiele für solche Projekte sind eine Validierungsstudie zur Merkmalsbasierten Inhaltsanalyse im Rahmen von aussagepsychologischen Begutachtungen oder Untersuchungen zur Erschwerung der Verfälschbarkeit von indirekten Maßen sexueller Interessen. Prinzipiell orientieren sich diese an den Forschungsschwerpunkten der Dozenten.
Mehr Informationen zu den Inhalten finden Sie auch hier im Modulhandbuch.
Inhalte des Masters Rechtspsychologie können auch in der Weiterbildung zur Fachpsychologin oder zum Fachpsychologe für Rechtspsychologie der BDP/DGPs anerkannt werden.

Welche Voraussetzungen müssen Sie mitbringen?

Sie haben Interesse an rechtpsychologischen Fragestellungen und der Anwendung. Sie haben erfolgreich einen Bachelorabschluss in Psychologie erworben. Im Studium (und dem Masterzulassungstest) werden Grundkenntnisse der Rechtspsychologie vorausgesetzt, die sie sich durch Lehrveranstaltungen im Bachelor oder auch dem Selbststudium mit einem geeigneten Lehrbuch (z.B. „Lehrbuch der Rechtspsychologie“ von Bliesener, Lösel und Köhnken) aneignen können.
Weitere Informationen zur Bewerbung finden Sie hier:
https://www.studium.uni-mainz.de/online-bewerbung-master/
https://www.studium.uni-mainz.de/psychologie-rechtspsychologie/

Wer sind wir?

Wir sind die Mitglieder der Abteilung Sozial- und Rechtspsychologie:
Für die Lehre im Rechtspsychologie Master zuständig sind:
Prof. Dr. Roland Imhoff
Dr. Alexander Schmidt
Jun.-Prof. Dr. Kristina Suchotzki
Prof. Dr. Martin Rettenberger

Beispielhafte Forschungsprojekte

  • Psychologische Prozesse indirekter Maße sexueller Interessen
  • Biases in der rechtspsychologischen Begutachtung und Gutachtenqualität
  • Zusammenhang von pädohebephilen sexuellen Interessen und Sexualdelinquenz
  • Stigmatisierung von paraphilen sexuellen Interessen und deren Auswirkung auf davon Betroffene
  • Wirksamkeit von Anti-Aggressions-Training
  • Kriminalprognostik und Risikokommunikation bei Kinderpornografietätern
  • Die psychologischen Grundlagen des Lügens
  • Messung und Detektion von Lügen
  • Emotionale Modulation des Gedächtnisses für tatrelevante Verbrechensdetails
  • Detektion von Tatwissen

Interdisziplinäre Einbettung

Wir sind Teil einer bundesweit einmaligen Infrastruktur von rechtsrelevanten Fächern (neben der Psychologie u.a. die Rechtswissenschaften, Kriminologie, forensische Psychiatrie). Gemeinsam bilden wir das Zentrum für Interdisziplinäre Forensik.

Weitere Informationen und schon mal zum Reinschnuppern:

Modulhandbuch Master Rechtspsychologie:
https://www.psychologie.uni-mainz.de/files/2020/02/MSc-Rechtspsychologie.pdf
Beispiele früherer Film- und Blogprojekte zu Lügendetektion, Denkverzerrungen in juristischen Urteilsprozessen und Mythen der Rechtspsychologie:
https://www.sozrepsy.uni-mainz.de/rechtspsychologie/
https://mythen-der-rechtspsychologie.uni-mainz.de/